Wegzugbesteuerung: Steuerlichen Herausforderungen beim Wohnsitzwechsel ins Ausland
Sie sind Gesellschafter einer GmbH und planen einen Wegzug aus Deutschland? Dann beachten Sie zwingend das Thema der Wegzugsbesteuerung. Wir zeigen Ihnen die Optionen zur Vermeidung der Wegzugbesteuerung.
Ein immer wiederkehrendes Thema in den Schlagzeilen betrifft vermögende Unternehmer, die ihren Wohnsitz in steuerbegünstigte Länder verlegen, um der deutschen Steuerpflicht zu entkommen. Während ein Wohnsitz in Deutschland automatisch zur Steuerpflicht in Deutschland führt, bedeutet die Verlagerung des Wohnsitzes ins Ausland nicht zwangsläufig das Ende der Steuerpflicht. Der Wegzug ins Ausland bedarf einer umsichtigen Planung. Wir zeigen Ihnen, worauf Sie achten sollten.
Was ist die Wegzugsteuer?
Die Wegzugsteuer ist keine eigenständige Steuerart, sondern beschreibt einen Tatbestand im Rahmen der Einkommenssteuer. Sie betrifft die stillen Reserven, die sich aus im Privatvermögen gehaltenen Anteile an Kapitalgesellschaften ergeben, sobald diese durch den Umzug des Anteilseigners ins Ausland der Steuerhoheit Deutschlands entzogen werden. Die Steuer dient dazu, zu verhindern, dass Personen ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, um eine niedrigere Besteuerung zu erreichen und somit die inländischen, aber noch nicht realisierten Gewinne der heimischen Steuer vorenthalten.
Die Wegzugbesteuerung nach § 6 AStG setzt voraus, dass der in Deutschland lebende Steuerpflichtige
- in den letzten 5 Jahren mindestens 1 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligt war,
- in den letzten 12 Jahren mindestens 7 Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war
- und seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufgibt.
Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung hat, die darauf schließen lässt, dass er diese behalten und nutzen wird. Der gewöhnliche Aufenthalt ist dort, wo sich nicht nur vorübergehend aufgehalten wird. Dies ist grundsätzlich bei einem zeitlichen zusammenhängenden Aufenthalt von sechs Monaten der Fall. Er endet, wenn die Person nicht mehr in Deutschland verweilt und keinen Rückkehrwunsch hat.
Überraschende Steuerzahlung: Kinder im Ausland
Die Wegzugbesteuerung trifft nicht nur GmbH-Gesellschafter, die dauerhaft ins Ausland ziehen. Im Rahmen einer steuerlich strukturierten Unternehmensnachfolge werden Unternehmensanteile häufig frühzeitig auf die nachfolgende Generation übertragen. Die junge Generation richtet Ihren Blick vermehrt Richtung Ausland, sei es für ein Auslandsstudium oder aufgrund beruflicher Perspektiven. Die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes kann in diesem Fall die Wegzugbesteuerung nach sich führen.
Doch nicht immer ist ein Wegzug Grund für die Wegzugbesteuerung. § 6 Abs. 1 Nr. 2 AStG betrifft die unentgeltliche bzw. teilentgeltliche Übertragung auf eine nicht steuerpflichtige Person. Dies umfasst somit die Fälle, in denen Anteile an einem deutschen Unternehmen durch Schenkung oder im Wege eines Erbes an eine im Ausland ansässige Person übertragen werden.
Dass ein Erbfall die Wegzugbesteuerung auslösen kann, wird von Unternehmern häufig übersehen. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Wegzugs sind mithin schnell erfüllt, sodass wir Ihnen dringend empfehlen sich für das Thema zu sensibleren und in dieser Hinsicht zu handeln. Gerne beraten wir Sie zu geeigneten Maßnahmen.
Wie hoch ist die Wegzugsteuer und wann wird sie fällig?
Der Wegzug wird steuerlich so behandelt, als hätte der Gesellschafter seine Gesellschaft verkauft. Ausgangspunkt der Steuer ist der gemeine Wert, d.h. der Marktwert der Gesellschaftsanteile zum Zeitpunkt des Wegzugs. Von diesem sind die Anschaffungskosten der Kapitalanteile abzuziehen, sodass sich der fiktive Veräußerungsgewinn ergibt. Dieser ist sodann mit dem persönlichen Einkommensteuersatz zzgl. Solidaritätszuschlag zu versteuern. Aufgrund des sog. Teileinkünfteverfahren bleiben davon 40 % steuerfrei. Die maximale Steuerlast beträgt 27 % zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer.
Der Anteilseigner hat die Steuerlast zu entrichten, obwohl er seine Anteile bei Wegzug nicht verkauft hat. Ihm fließt keine Liquidität aus dem Verkauf zu, auf der anderen Seite muss er aber den Wertzuwachs seiner Beteiligung versteuern.
Abschaffung der zinslosen Stundung
Seit 2022 wurden die großzügigen Stundungsregelungen für EU-/EWR-Fälle gestrichen und die Regelungen verschärft. Auf Antrag ist es möglich die festgesetzte Steuer für alle Wegzüge in sieben gleichen Jahresraten zu zahlen, sofern entsprechende Sicherheiten hinterlegt werden, bspw. Bürgschaften, Eintragungen im Grundbuch. Bei Rückkehr des betroffenen Gesellschafters innerhalb von 7 Jahren kann mit einer Erstattung der bereits gezahlten Wegzugsteuer gerechnet werden. Sollten für den Auslandsaufenthalt berufliche Gründe verantwortlich gewesen sein, kann die Dauer per Antrag beim Finanzamt auf bis zu 12 Jahre verlängert werden. Die beruflichen Gründe müssen konkret nachgewiesen und zum Zeitpunkt des Wegzugs muss die Absicht einer geplanten Rückkehr gegenüber dem Finanzamt ausgesprochen werden.
Achtung auch bei Altfällen: Gewinnausschüttung!
Der Gesetzgeber hat kurz vor Beginn des Jahres 2024 eine zusätzliche Härte für Altfälle geschaffen und diese rückwirkend ab dem 17.08.2023 in Kraft gesetzt. Für Wegzüge bis zum 31.12.2021 wurden die Befugnisse des Finanzamts zur Aufhebung der Stundung der Wegzugsteuer für EU-/EWR-Altfälle nachträglich erweitert. Gemäß der neuen Regelung wird die Stundung der Wegzugsteuer für Wegzüge vor dem 01.01.2022 auch dann widerrufen, wenn die Gesellschaft, deren Anteile mit der Wegzugsteuer belastet wurden, Gewinnausschüttungen oder Einlagenrückgewähr vornimmt, deren Gesamtwert mehr als 25% des Werts der Gesellschaftsanteile zum Zeitpunkt der Auslösung der Wegzugsteuer beträgt. Diese Bestimmung gilt rückwirkend für alle Gewinnausschüttungen oder Einlagenrückgewähr, die nach dem 16.08.2023 erfolgen. Diese neue Regelung schafft eine faktische Ausschüttungssperre, welche viele Steuerpflichtige in eine schwierige finanzielle Situation bringen kann, da nun unerwartete Steuerausgaben auf sie zukommen.
Neue Entwicklungen – Das Wächtler-Urteil
Zu begrüßen ist daher das Urteil im Fall „Wächtler“ (BFH-Urteil vom 06.09.2023). Das Urteil wirft ein neues Licht auf die Anwendung der deutschen Wegzugbesteuerung und dessen Vereinbarkeit mit dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweiz. Unter Berücksichtigung des bestehenden Freizügigkeitsabkommens zwischen der EU und der Schweiz, sei eine bis zur tatsächlichen Veräußerung andauernde, zinslose (auch rückwirkende) Stundung der deutschen Wegzugsteuer geboten, obwohl dies im Gesetz so nicht vorgesehen ist. Eine Sicherheitsleistung kann vom Finanzamt aber gefordert werden.
Das Urteil stellt somit einige der jüngsten Verschärfungen der Wegzugbesteuerung in Frage. Im Grundsatz haben Entscheidungen des BFH nur unmittelbare rechtliche Bedeutung für den Einzelfall. Regelmäßig werden die Erkenntnisse aber auf Parallelfälle übertragen, insofern die Finanzverwaltung dies nicht durch einen Nichtanwendungserlass unterbinden sollte. Die Entscheidung gilt vor allem für Wegzüge bis zum 31. Dezember 2021.
Bei Wegzügen ab dem 01.01.2022 sieht die reformierte Wegzugbesteuerung unabhängig vom Zielstaat nur eine Ratenzahlung über sieben Jahre vor, für die in der Regel eine Sicherheitsleistung verlangen kann. Der EuGH oder BFH würde wohl zur neuen Rechtslage bei Wegzügen in einen EU-/EWR-Staat bzw. in die Schweiz nicht anders entscheiden. Insoweit ist der Gesetzgeber nun dazu aufgerufen, die alte Rechtslage zu reaktivieren und eine dauerhafte, zinslose Stundung wieder einzuführen.
Strategien zur Vermeidung der Wegzugbesteuerung
- Umwandlung in eine Personengesellschaft
Die gängige Strategie ist die Umwandlung der operativen GmbH in eine Personengesellschaft, zumeist in eine GmbH & Co. KG. Nun zieht ein Gesellschafter einer Personengesellschaft (sog. Mitunternehmer) ins Ausland, sodass die Wegzugsbesteuerung nicht mehr anwendbar ist, da es sich nicht mehr um einen Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft handelt. Wichtig hierbei ist nur, dass der Betrieb weiterhin in Deutschland verweilt, da es sonst zu einer Entstrickung kommen kann. Diese führt ähnlich wie die Wegzugsbesteuerung zur Aufdeckung stiller Reserven.
Von Vorteil ist die Umwandlung nur, wenn der Formwechsel der GmbH steuerlich-neutral abläuft. Problematisch wird es, wenn das Eigenkapital der GmbH offene Rücklagen, wie bspw. Gewinnvorträge enthält. Dann kommt es im Rahmen der Umwandlung zu einer fiktiven Ausschüttung aller in der GmbH steckenden Gewinne, die dem Gesellschafter zugerechnet und mit Kapitalertragssteuer belastet werden.
- Wohnsitz- und Ansässigkeitsmanagement
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, durch ein Wohnsitz- bzw. Ansässigkeitsmanagement die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland aufrechtzuerhalten. Verfügt der Steuerpflichtige über einen inländischen Wohnsitz, der auch nur gelegentlich genutzt oder nicht langfristig vermietet wird, bleibt trotz der Ummeldung ins Ausland die unbeschränkte Steuerpflicht bestehen. Der Steuerpflichtige hätte so die Möglichkeit die Wohnstätte jederzeit zu beziehen. Nicht die Dauer der tatsächlichen Nutzung der Wohnstätte ist entscheidend, sondern vielmehr die Möglichkeit, die Immobilie als Wohnsitz zu nutzen.
- Gründung einer Familienstiftung
Denkbar ist zudem die Gründung einer Familienstiftung. Die Anteile der GmbH werden gestiftet, um die Familienstiftung zu gründen, die der Versorgung des Stifters und ggf. seiner Familie dient. Die Stiftung ist im Grunde ebenfalls eine Körperschaft, kennt jedoch keine Anteilseigner, sodass der ehemalige GmbH-Gesellschafter nun ins Ausland verziehen kann.
Bei der Gründung einer Stiftung sind immer die Transaktions- und Folgekosten in die Betrachtung mit einzubeziehen, sodass es hier einer umfassenden Beratung bedarf.
- Der Wegzug hat schon stattgefunden – was nun?
Sie sind bereits, ohne jegliche Maßnahmen getroffen zu haben, verzogen? Der BFH stellte mit Urteil vom 21. Dezember 2022 (BFH I R 55/19) fest, dass auf die Glaubhaftmachung einer Rückkehrabsicht vor dem Wegzug verzichtet werden kann. Vielmehr reiche die tatsächliche Rückkehr als Indiz für diese Absicht aus. Der Wortlaut von § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG gebe keine Auskunft über den tatsächlichen Zeitpunkt der Willensbildung, sodass die Steuerbelastung bei Rückkehr innerhalb von fünf Jahren nachträglich entfalle, da es sich um eine lediglich vorübergehende Abwesenheit handele.
Die Wegzugsbesteuerung ist immer sehr individuell auf die persönliche Situation zu beurteilen. Daher können im Einzelfall auch weitere Gestaltungsideen möglich sein. Sie haben noch weitere Fragen? Gerne beraten wir Sie zur Wegzugbesteuerung und den steuerlichen Möglichkeiten.